GOM: Hallo Jens, viele Pilotinnen und Piloten fragen sich, wie sich die aktuelle Corona-Situation auf den Flugsport-Markt auswirkt. Wie ist deine Einschätzung?
Jens: Wir haben gerade eine Situation, welche es im Gleitschirmsport so vielleicht noch nie gegeben hat.
GOM: Wie können wir das verstehen?
Jens: Im ersten Corona-Jahr 2020 mussten wir, wie alle anderen Branchen auch, mit einer noch nie dagewesenen Situation kämpfen, mit dieser permanenten Ungewissheit. Es ging uns so wie fast allen Anbietern auf dem freien Markt, die ihr Hauptgeschäft mit persönlichem Kundenkontakt tätigen. Wir mussten uns mit manchmal täglich neuen Situationen auseinandersetzen.
GOM: Also stellte Corona auch den Gleitschirmhandel vor große Herausforderungen?
Jens: Es war quasi ein "Ritt auf der Rasierklinge": Wir hatten unsere Vorausplanung und auch die Materialorder natürlich schon vor dem ersten Corona-Ausbruch getätigt.
Und dann wussten wir nicht, ob oder zumindest wann wir unseren Sport und die damit verbundenen Verkäufe, auf die natürlich jede Flugschule angewiesen ist, wieder würden tätigen können.
Ausdrücklich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle im Namen des GLEITSCHIRM DIREKT-Teams und sicher auch stellvertretend für wohl alle Flugschulen bei allen Flugschülern und Piloten. Was wir in dieser Zeit an positivem Zuspruch von unseren Kunden erfahren haben, war wirklich beeindruckend und motivierend.
Auch der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in der Branche war immer sehr gut. Jeder hat versucht, dem anderen auf irgendeine Weise beizustehen.
GOM: Aber im Jahr 2021 sieht doch alles viel besser aus, oder?
Jens (lacht): Ja – und gleichzeitig nein. Es hatte sich bereits gegen Ende 2020 abgezeichnet, dass die Lieferverfügbarkeit immer schwieriger werden würde.
Unsere Zulieferer hatten zu diesem Zeitpunkt bereits mit steigenden Transportkosten und eingeschränkten Möglichkeiten kämpfen müssen, weil unsere Ausrüstungsartikel hauptsächlich im asiatischen Raum gefertigt werden.
GOM: Wie können wir uns das vorstellen?
Jens: Durch die angespannte Corona-Situation war der Flugverkehr, wie ja allgemein bekannt, zunächst mal fast komplett zusammengebrochen. Der Passagierflugverkehr ist für uns wichtig, weil in nicht benötigten Laderaumflächen natürlich auch Verbrauchsgüter transportiert werden.
Diese Möglichkeit bestand mit Wegfall der meisten Flüge nicht mehr. Hieraus resultierend und auch durch den zusätzlichen Transport von Masken (in ungeahnter Menge), welche nicht mehr mit Flugzeugen transportiert werden konnten, hatte sich alles auf den Seeweg verlagert.
GOM: Also dauert alles etwas länger?
Jens: Ja, und nicht nur das. Es war auch ganz klar abzusehen, dass die Transportkosten steigen würden. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: Hatte ein Seefrachtcontainer vor Corona noch etwa 2.000 Dollar gekostet, zahlt man aktuell 15.000 Dollar und mehr für die Lieferung einer Containerladung.
GOM: Was bedeutet das für uns im laufenden Jahr?
Jens: Die ersten Preiserhöhungen haben die Hersteller verständlicherweise bereits an uns weitergegeben. Es ist absehbar, dass diese Preiserhöhung sich auch auf die Endverbraucherpreise auswirken wird. Der Flugsport ist davon genauso betroffen wie andere Sportarten auch: Bei E-Bikes zum Beispiel liegt die Preissteigerung schon jetzt bei etwa 20 Prozent.
GOM: Müssen sich Flugsportler noch auf andere Auswirkungen einstellen?
Jens: Leider ja. Schon jetzt geben einige Hersteller Lieferzeiten von bis zu 30 Wochen an. Es lässt sich momentan nicht sicher sagen, ob sich die Situation in absehbarer Zeit wieder entspannen wird.
Aktuell stockt zum Beispiel die Produktion in Vietnam. Das Land befindet sich im Lockdown, das bedeutet Ausgangssperren und Fabrikschließungen.
GOM: Wie sieht es denn dann gerade bei euch in der Gleitschirm Direkt aus?
Jens: Noch haben wir viele Modelle führender Hersteller vorrätig, aber auch wir sind auf die Lieferfähigkeit der Produzenten angewiesen. Ich persönlich rechne damit, dass wir bis mindestens 2022 eher noch längere Lieferzeiten zu erwarten haben. Auch wenn ich freilich hoffe, dass sich die Situation bald wieder entspannt.
Wer sich dieses Jahr noch eine Gleitschirm-Komplettausrüstung oder auch einzelne Komponenten wie Schirm, Gurtzeug oder Rettung zulegen möchte, sollte mit dem Kauf jedenfalls nicht allzu lange warten.
GOM: Jens, vielen Dank für das Interview – hoffen wir, dass sich auch im Gleitschirmbereich die Situation bald wieder normalisiert!